Germanen

Antike – Germanen und Römer: 15 v. Chr. – 400 n. Chr.

15 v. Chr. wird Vindobona eine befestigte Grenzstadt des römischen Reichs. Die Regionen nördlich des Limes pflegten gute Handelsbeziehungen zu den Römern, und im 1. Jahrhundert ziehen vereinzelt germanische Quaden zu uns; eine bekannte Fundstelle sind die Brandgräber in Mistelbach am Galgengrund. Das Hauptsiedlungsgebiet der Quaden lag aber in der heutigen Slowakei.

reconstruction of germanic roof
Germanischer Arbeitsplatz, Rekonstruktion

Gegen Ende des 1. Jahrhunderts entstanden immer mehr germanische Siedlungen, die sich eindeutig von der keltischen Tradition unterscheiden. Diese suebischen Stämme ziehen von der Ostsee langsam Richtung Südwesten; bei uns siedelten vor allem Quaden und Markomannen; weitere bekannte Suebenstämme sind Langobarden und Vandalen.

Wir können annehmen, dass zahlreiche Markomannen ihre böhmische Heimat gegen Ende des 1. Jahrhunderts verließen und sich im heutigen Südmähren und Niederösterreich ansiedelten. Die wenigen hier lebenden Quaden zogen entweder in die Slowakei ab oder wurden von den Markomannen aufgenommen, beide Stämme gehörten zu dem großen Verband der Sweben und waren damit eng verwandt. 

Gehöfte in den Aulüssen

Damals lag an der Thaya eine germanische Siedlung oder ein großer Bauernhof (Fundstellenkarte: 2) . Die wirtschaftliche Grundlage der Siedlung war Getreideanbau, wie einige Handmühlen aus Stein zeigen, aber auch die Viehzucht, auf die zahlreiche Knochen von Schwein und Rind weisen. Durch die vorbeifließende Thaya wird sicherlich auch der Fischfang wichtig gewesen sein.

Im Zentrum der Siedlung waren die größeren Wohnbauten, weiter außen die Wirtschaftsgebäude, bei denen drei Arten unterschieden werden können:

  • Einerseits annähernd quadratische Bauten mit etwa 6,30 m Seitenlänge, die möglicherweise als Ställe gedient haben.
  • Einfach gebaute, überdachten Arbeitsplätze mit unregelmäßigen Formen und einem bis zu 20 cm eingetieftem Boden.
  • Rechteckige, 40-90 cm in den Boden eingetiefte Grubenhütten mit sechs regelmäßig gesetzten, sehr tiefen Pfostengruben, die zum Spinnen, Weben und für andere Arbeiten benutzt wurden.
Plan Germanensiedlung
Germanischer Topf
Topf mit Lochmuster

Etwa im ausgehenden 2. Jahrhundert wurde das Gehöft an allen vier Seiten von einem mächtigen Wall umgeben, der an der Basis etwa 9 Meter breit und demnach 3 bis 4 Meter hoch war.

Da dem Wall kein Graben vorgelagert war, dürfte er als Hochwasserschutz gedient haben. Es wird  vermutet, dass während der ersten Hälfte des 3. Jahrhunderts eine Hochwasserkatastrophe den Ostwall durchbrochen und den Südostteil der Siedlung weggerissen hat. Vermutlich war eine geringfügige Klimaveränderung der Grund dafür, dass um diese Zeit die markomannischen Siedler überall ihre Gehöfte an den Flussläufen aufgeben mussten.

Römerlager

Als Reaktion auf die Zuwanderung der germanischen Stämme bauten die Römer den Donaulimes aus. Bei mehreren Markomannenkriegen zwischen 166 und 180 wurde um die Vorherrschaft im Grenzgebiet gekämpft: Auch bei uns war um 172 n.Chr. neben dem Gehöft ein römisches Marschlager, das aber nur kurz in Verwendung war. Die Lage der römischen Befestigung ist in der Karte am unteren Rand violett eingezeichnet.  Die markomannischen Siedlungen überdauerten die Kriegsereignisse ohne Bruch.

Rote Keramik, Germanisch
Otto Berger und Horst Adler
Otto Berger und Horst Adler

Ausgrabungsgeschichte und Funde

Streufunde waren am Feldl in den Aulüssen immer gefunden worden, aber als mit dem Bau des Hochwasserdamms entlang der Thaya begonnen wurde, begann das Bundesdenkmalamt unter Dr. Auer im Herbst 1974 eine groß angelegte Notgrabung, die bis 1980 dauerte.

Das oben abgebildete Wirtschaftsgebäude wurde während der Herbstausgrabung 1976 rekonstruiert, um die theoretischen Überlegungen zum Aufbau und Aussehen am Grabungsgelände zu rekonstruieren.

Bei den Ausgrabungen wurde viel Keramik geborgen, oft grob geformte germanische Hauskeramik. Hier überwiegen Töpfe mit S-förmigem Profil, die oft mit Linien aus Nagelkerben verziert sind, es kommen aber auch Wirrfurchen, Dreiecksverzierungen, Kerben in Fischgrätenanordnung und Schwungbogenköpfe vor. 

Die zweite Gruppe stellt die feine dünnwandige germanische Ware aus schwarzem, gut poliertem Ton dar. Dazu gehören vor allem Fußschüsseln, Schalen, Terrinen und einfache Schüsseln. Die feine Ware kann mit Laufrädchendekor, mit senkrechten und schrägen Dellen, Knubben, Zickzackbändern und Schwungbogenköpfen versehen sein.

Auch importierte scheibengedrehte Keramik vor allem aus der römischen Provinz Pannonien hatte eine gewisse Bedeutung: Ringschüsseln, eiförmige Töpfe und Henkelkrüge pannonischer Streifenkeramik, seltener Terra-sigillata-Ware, Faltenbecher und Vorratsgefäße mit gerilltem Mundsaum.

Eine echte Überraschung war Keramik in LaTène-Tradition: Kammstrichtöpfe, scheibengedrehte Schüsseln und flaschenförmige Gefäße. Diese Ware beweist das Weiterleben bodenständiger kelto-illyrischer Bevölkerung.

An weiteren Gegenständen aus Ton sind ein 1976 gefundenes, leider fragmentiertes Gefäß in Vogelgestalt zu nennen, besonders aber Spinnwirtel, die als Schwungmasse für Spindeln gedient haben.

Germanenfund
Geweih

Horn war ein weit verbreitetes Material, aus dem vor allem einreihige Kämme gefertigt wurden, Fellschaber, einfache Nadeln und Pfriemen. Aus Eisen waren Sporen, Fibeln, vor allem aber verschiedenste Werkzeuge hergestellt. Ältere Funde von der Flur Aulüssen und anderen germanischen Fundorten befinden sich noch im Raum 2, Vitrine 3, linker Teil, unter dem vergrößerten Foto eines Denars des Kaisers Marcus Aurelius (dieser leitete die römischen Gegenaktionen gegen die Markomannen und Quaden teilweise persönlich). Besonders auf die Gefäßverzierungsvarianten in Vitrine 22b und auf römische Importstücke soll hier noch hingewiesen werden.

Weitere germanische Siedlungen gab es entlang des Hamelbachs und im Föhrenwald nahe der Thaya (Fundstellenkarte).

Völkerwanderung im 5. Jahrhundert

Ab 395 wurden die Markomannen als Föderaten Roms im Wiener Becken angesiedelt; auch andere germanische Stämme flohen vor den Hunnen ins römische Reich und es beginnen die Wirren der sogenannten Völkerwanderung. Es gibt einige wenige Funde, die den Awaren zugeordnet werden können, mehr Spuren haben die Durchzügler nicht hinterlassen.